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JANNI WEIBEL – IMMER NOCH AUF DER SUCHE NACH DER WAHRHEIT 

Wir treffen Janni Weibel in ihrem Haus in Chur und sind sofort fasziniert von ihr. Zuerst als Mensch, der aufmerksam zuhört und auch gerne Geschichten von sich preisgibt. Und dann als Künstlerin, die uns in ihre Welt einführt, die künstlerisches Geschick, Empfindungen und technisches Können verlangt und nun schon fast 40 Jahre anhält. Ihr Bronzeskulpturen faszinieren und sind aus dem Leben der Janni entstanden.

Von Pierre André Castellani

«Aller guten Dinge sind drei». Janni Weibel hat drei Kinder gross gezogen, drei Berufe erlernt und ausgeübt und (weiteres Beispiel das passt?). Vielleicht übt sie ja nach dem Malen und Bildhauern bald auch eine dritte künstlerische Tätigkeit aus – vielleicht als Schriftstellerin? Zuzutrauen wäre es der quirligen, von Ideen sprühenden Person allemal. Man fühlt ihren Tatendrang und Unternehmergeist förmlich im persönlichen Gespräch.

Es ist oft ungewiss und umstritten, von welchem Elternteil man diese oder jene Fähigkeit vererbt oder überliefert bekommen hat. Bei Janni Weibel-Derungs ist immerhin klar, dass sie ihren doch eher ungewöhnlichen Vornamen ihrer aus Holland stammenden Grossmutter Jannigje verdankt. Die Ausdauer und Zähigkeit sowohl in beruflicher wie auch in künstlerischer Hinsicht könnte aus dem Bergbauerndorf im Bündner Oberland entsprungen sein. Ihr Vater xxxx Derungs stammte nämlich aus Danis. Schon als Kind hat Janni Weibel gerne gezeichnet und gebastelt. Diesem Umstand will sie aber keine allzu grosse Bedeutung im Hinblick auf ihre spätere kreative Tätigkeit beimessen. Es sei damals vielmehr so gewesen, dass man sich vieles selbst gemacht habe, was man sich in Ermangelung finanzieller Mittel nicht habe kaufen können.
Nach der ersten beruflichen Ausbildung und Tätigkeit als Röntgenassistentin in Chur absolvierte Janni zusammen mit ihrem Mann Toni Weibel die Hotelfachschule in Lausanne, die Kaderschmiede der schweizerischen Hotellerie. Damit nicht genug, machte sie sich später – zu diesem Zeitpunkt bereits Mutter – auch noch an ein Studium in Innenarchitektur und betätigte sich erfolgreich auf diesem Gebiet.

Es begann in Afrika

Die berufliche Tätigkeit ihres Mannes als Hotelmanager brachte es mit sich, dass Janni Weibel von 1975 bis 1980 in Kenia lebte. Da einem dort Hausarbeiten und –pflichten weitgehend abgenommen werden, suchte sie nach einer für sie erfüllenden Tätigkeit: «Ich habe dort ernsthaft mit Malerei begonnen und zum Teil direkt auf die Wände gemalt», sagt sie. Und hält rückblickend fest: «In Kenia hatte ich auch viel mehr Möglichkeiten, mich überhaupt zu getrauen, einer kreativen Tätigkeit nachzugehen.» Mit dem Malen in Öl, Acryl, Guasch und Mischtechnik auf Leinwand, Pappe und Wänden nahm die künstlerische Karriere ihren Anfang und dauert nun bereits bald vier Jahrzehnte. In der «Afrika-Phase» entstanden nicht weniger als 75 grosse Wandbilder und xxxx 
Als die Kinder ins schulpflichtige Alter kamen, kehrte die Familie in die Schweiz zurück. Während 13 Jahren hatte sie ihren Wohnsitz in Domat/Ems, vor 20 Jahren wurde nach Chur gezügelt, in ein Haus am Traubenweg, in dem seither in einem kleinen Raum im Untergeschoss die feinen Kunstwerke der Janni Weibel entstehen.

Per Zufall kam Janni Weibel 1998 durch Freunde in Kontakt mit einer Künstlerfamilie in Kneese in Mecklenburg-Vorpommern. Als sie erstmals im Atelier von Jo Jastram, einem ehemaligen Dozenten an den Kunsthochschulen Berlin und Rostock stand, wusste sie vom ersten Augenblick an: Das will ich auch machen, nämlich Plastiken gestalten. Das Umschwenken von der Malerei zur Bildhauerei erfolgte abrupt. «Die Lust an dieser Art von kreativer Tätigkeit viel ausgeprägter, das dreidimensionale Schaffen gibt mir viel grössere Ausdrucksmöglichkeiten. Es ist immer ein Suchen nach Wahrheit», versichert sie.
Jo Jastram wurde ihr Lehrer und Mentor, bei ihm verbrachte sie zwischen 1998 und 2002 mehrere Wochen als Meisterschülerin, lernte das Handwerk von Grund auf und liess sich für ihr weiteres künstlerisches Schaffen inspirieren.
 
Seit sie sich voll und ganz auf die Bildhauerei konzentriert, steht Janni Weibel jeden Tage einige Stunden im Atelier (stimmt das immer noch?). Es geht bei ihrer künstlerischen Tätigkeit nicht zuletzt darum, «den Weg zu finden, um sich selber einzubringen in einen Lernprozess, der nie aufhört».

Entstanden sind in dieser intensiven, nun bereits über 15 Jahre dauernden Auseinandersetzung einer Janni Weibel faszinierenden und beglückenden Art der künstlerischen Tätigkeit inzwischen rund xxx Skulpturen, die sie in der Kunstgiesserei Bischofszell zu Bronzefiguren werden lässt. Noch heute, nach so vielen Jahren der Erfahrung im Formen und Gestalten, kämpft Janni Weibel noch immer intensiv mit sich und den Materialien, noch immer ist es ein langer Prozess von der ersten Idee bis zur vollendeten Figur, die sie und ihre Mitmenschen erfreuen sollen.


Hochsommer im Weinkeller

Wenn sich im Hochsommer die Temperaturen im Atelier in einen Bereich entwickeln, der die Wachsfiguren dahinzuschmelzen droht, gewährt Toni Weibel seiner Frau vorübergehendes Gastrecht in seinem sonst sakrosankten, schön kühlen Weinkeller. Hier dürfen während dieser Zeit die Figuren zwischenlagern.
Und da der Weinkeller auch der einzige Weg ist, um bei jedem Wetter trockenen Fusses ins Atelier zu gelangen, steht als Obulus der Janni für das Durchgangsrecht der kleine Satyr, der Dämon aus der griechischen Mythologie und wacht darüber, wer des Weges ist.


satyr obulus


der Galerist


Mit dem Galeristen Arnold Crameri verbindet die Künstlerin eine langjährige Freundschaft. Bereits sein Vater setzte sich sehr für die bündner Malerin ein, die sich als Frau unter wenigen an grossflächige Tafelbilder wagte.
Im Buch "Windflüstern" schreibt der Galerist mit der Überschrift " MOMENTAUFNAHMEN VOLLER SINNLICHKEIT<" seine Gedanken zu Janni Weibels bildhauerischen Werken:

Für mich ist es immer wieder faszinierend zu erleben, mit welcher Natürlichkeit sich die Menschen den Bronzefiguren von Janni Weibel nähern. Ob mit einem ersten scheuen Blick, mit offenem Interesse oder einer leichten Berührung – kaum jemand kann sich dem Reiz entziehen, den diese menschlichen Abbilde ausstrahlen. Doch was macht die Faszination des  plastischen Werkes aus, welches Janni Weibel geschaffen hat?
Fest steht, dass die Autodidaktin nicht einfach Figuren, sondern Kleinode kreiert, die in einem ebenso klar erkennbaren wie unsichtbaren Kontext stehen. Ihre Bronzefiguren umgeben Auren, welche die Betrachter zu spüren scheinen. Dabei drücken die zumeist grazilen Körper durch ihre Haltung zutiefst menschliche Gefühle und Stimmungen aus; gleichzeitig befinden sie sich in symbolhaften Situationen. Stellvertretend seien hier nur die Plastiken «Die Heimkehrer» oder «Windflüstern» erwähnt. Janni Weibel formt Figuren zunächst aus Wachs, um sie anschliessend in bronzene Momentaufnahmen zu giessen; in Momentaufnahmen voller Sinnlichkeit.
Die Künstlerin erzeugt mit ihrer plastischen Kunst einen Wandel; vom Subjekt zum Objekt: Indem wir Ihre Plastiken anschauen – es sind zumeist Frauen – betrachten wir uns gleichzeitig selbst. Wir erkennen uns in den Figuren wieder; ein Moment der Spiegelung entsteht, die bis in den emotionalen Bereich reicht.
Janni Weibel kann Stimmungen erzeugen, welche die Betrachter ihrer plastischen Arbeiten augenblicklich erreichen. Dabei bleibt ihre additive Arbeitsweise als Prozess sichtbar, hinterlässt dazu auch haptische Reize: durch das Berühren und Betasten werden die den Bronzeskulpturen innewohnenden Entwicklungen noch deutlicher spürbar.
Aufgrund ihrer ausgesprochenen stark weiblichen Intuition und hervorragenden Sehschulung gelingt es Janni Weibel immer wieder, scheinbar «normale» Momente einzufangen und in ihre Plastiken hinein zu formen. Dabei erscheint der Mensch in den hervorragend gearbeiteten Bronzeskulpturen als unvollendet vollkommen. Eine ebenso wahre wie tröstende Sichtweise.

Arnold Crameri, Galerist